Entwicklung in der Berufsbildung als Wanderweg. Vom
Wird sich der Schwerpunkt der Berufsbildung erneut verlagern, oder lassen
sich diese Anforderungen verbinden?
Es besteht die Gefahr, dass die Berufsbildung auf eine Zulieferfunktion
für das betriebliche Gesamtgeschehen begrenzt wird. Vorgehensweise
zur weiteren Untersuchung: Abstand einnehmen und betriebliche Bildung und
Organisation aus der Sicht eines Satelliten betrachten.
Früher bestimmte die eingesetzte Technik die Arbeitsorganisation, und daraus ergaben sich die Qualifikationsanforderungen. Damit wurde das Qualifizierungsprogramm an externen Voraussetzungen festgemacht. Ein pädagogischer Auftrag war kaum existent. Es überwog ein technik-deterministischer Anpassungsansatz, die Qualifikation war auf tayloristische Arbeitsvorgänge orientiert. Stichwort: Nachlaufende Anpassungsqualifizierung.
Gegenläufige Tendenz: human-sozialer Gestaltungsansatz. Gebildete Menschen beeinflussen den Technikeinsatz und die Formen der Arbeitsorganisation, dadurch: eigenständige Rolle der beruflichen/betrieblichen Bildung. Technik wird als Handlungsentwürfe interessengeleiteter sozialer Akteure verstanden, ist Ausdruck sozialer Auseinandersetzung. Dies gilt insbesondere für die Informationstechnik. Qualifikationen und fachliche Souveränität sind Produktivkräfte. Es kommt zu einer vorausschauenden Gestaltungsorientierung (Oehlke). Schöpferische Qualitäten. Know that und know how, Inhalte bleiben offen und unbestimmt.
In der Berufsausbildung wurden diese Ideen zögerlicher umgesetzt als in der PE/OE, weil zunächst die neuen Berufskonzepte umgesetzt werden mussten. Bei der Einführung neuer Technologien (Computertechnik) ist der Gestaltungsspielraum größer, weil diese als offenes System eingeführt und ausgestaltet wird. Fazit: Gestaltungskompetenz ist zur Umsetzung von Ideen notwendig, allerdings unter bestimmten organisatorischen, technischen und individuellen Voraussetzungen. Technikorientierung fällt als "Leitplanke" beruflicher Bildung weg, und Umsetzungsaspekte müssen bedacht werden. Wichtig: Vorausschauende Qualifizierung für neue Techniken, damit diese Investitionen nicht ins Leere laufen.
Soll die Berufsbildung auf Unterordnung, Anpassung und Theoriereduzierung
hinauslaufen, den Lernenden sozusagen passend machen für den Betrieb?
Oder die Autonomie fördern, Bildung im normativen Sinne vermitteln,
unabhängig von der Verhältnissen?
In den neugeordneten Metall- und Elektroberufen geht es um das selbständige
Planen, durchführen und kontrollieren. Andererseits besteht immer
noch die neo-tayloristische Arbeitsorganisation neben dem lean-management.
Traditionelle Arbeitsorganisation und Gruppenarbeit, bei der die
ganze Persönlichkeit gefordert ist.
Integrierte Strategie: betriebliche Bildung, OE und PE. Auf die Feuerwehr-Variante betrieblicher Bildung allein kann bei sich rasch ändernden technischen Gegebenheiten und der Konkurrenz auf dem Markt nicht allein vertraut werden. Es gibt Fehlschläge bei der Einführung neuer Technik. Programme zum sozial-verträglichen Technikeinsatz wurden durchgeführt ("Humanisierung der Arbeit"). Humanisierung ist aber nur Mittel zum Zweck.
OE: Längerfristiger, organisationsumfassender Entwicklungs- und Veränderungsprozess von Organisationen und der in ihnen tätigen Menschen. Der Prozess beruht auf Lernen aller Betroffenen durch direkte Mitwirkung und praktische Erfahrung. Sein Ziel besteht in der gleichzeitigen Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Organisation (Effektivität) und der Qualität des Arbeitslebens (Humanität). |
(n. Franke 1993, S. 37, in: Witthaus 1996, S. 86/87)
Bei OE handelt es sich weder nur um ungeplante Veränderungen,
noch um bloßen Strukturwandel.
OE= Organisationswandel und Lernen. Gerüst von Grundannahmen
der OE (bei großer Pluralität):
OE-Berater kann seine Rolle als
definieren (n. Schein 1993, S. 405). Die Ziele Effektivität und Menschlichkeit
werden erweitert um die Befähigung der Organisation und ihrer Mitglieder
zur Selbsterneuerung und Selbstgestaltung, Authentizität (Werthaltungen
bei Rollenkonflikten) und Förderung von Selbstorganisation. Die Organisation
als selbststeuerndes soziales System.
Absichtsvolle Gestaltung kann Systeme nur zur Selbstorganisation anregen,
Organisationen können nicht wie eine Maschine gesteuert werden. Der
OE-Berater muss seine marginale Rolle gezielt einsetzen. Keine Lehrer-Rolle
im herkömmlichen Sinne, sondern Katalysator sein. Aufdecken von Tabus,
um damit Lernhindernisse zu beseitigen (n. Fatzer 1995)!
Bedeutungszunahme von Lernaktivitäten am Arbeitsplatz. Weiterbildner ziehen sich stärker aus den eigentlichen Lernprozessen heraus und konzentrieren sich auf die Arbeit eines Prozessberaters, der vor Ort Problemlösungspotentiale in die Bildungs- und OE-Prozesse einbringt (Witthaus 1996, S. 90). Damit vollzieht sich eine schnellere Entwicklung des Betriebes. Mitarbeiter sollen in die Lage versetzt werden, vor Ort Probleme zu identifizieren, zu analysieren und selbst zu lösen. (Hölterhoff/Becker 1986, S. 36). Betriebliches Bildungswesen: von der Rolle als Lehrer und Vermittler zum internal consultant bzw. change agent.
Fazit:
Um ihre Erfolge zu sichern, muss sich betriebliche Weiterbildung an
der Entwicklung von Strukturen beteiligen. Veränderungen von Organisationsmitgliedern
bedürfen der strukturellen Stabilisierung, damit sie nicht verpuffen.
Beispiel: Strategische Organisationsdidaktik.
Betriebliche Bildung kann ihre häufig randständige Position verlassen,
wenn sie sowohl Entwicklungsprozesse von Individuen gestaltet, als auch
Anforderungen an betriebliche Problemlösungen an die Betroffenen zurückgeben.
Das Feld der Gesamtorganisation ist deutlicher mit pädagogischen Prozessen
zu verknüpfen. Nicht jeder Arbeitsprozess lässt sich unter Rückgriff
auf die OE-Philosophie zum Lernprozess befördern (n. Witthaus 1996,
S. 93).
siehe: Argyris/Schön; Vergleich der theoretischen Ansätze
Dazu: Entmündigung des Subjekts oder neue Entfaltungschancen? (wie bei der Hinwendung der betrieblichen Bildung zur OE)
Organisationales Lernen wird bestimmt als Prozesse einer Institution als Ganzes, Fehler zu entdecken, diese zu korrigieren sowie die organisationale Wert- und Wissensbasis zu verändern, sodass neue Problemlösungs- und Handlungsfähigkeiten erzeugt werden. Einzuschließen ist auch die Fähigkeit, Handlungskriterien und -Strategien auf ihre Sinnhaftigkeit zu überdenken. |
(Probst 1995, S. 167, n. Witthaus 1996, S. 95)
Handlungsrahmen nicht mehr stimmig, tatsächliche Handlungsergebnisse
stimmen mit den erwarteten Ergebnissen nicht mehr überein. Nicht reaktive
Strategien, sondern antizipierende Veränderungsstrategien zur Umweltanpassung
sind daher notwendig. Es geht um die Wissensbasis der Organisation, die
unabhängig
von den Organisationsmitgliedern gespeichert ist. Es handelt sich um
Leitideen, Arbeitsverfahren, Traditionen.
(siehe: Kollektivbewusstsein)
Entwicklung einer gemeinsamen WirklichkeitAnpassung der Organisation an Umweltveränderungen. Offen bleibt die Vermittlungsprozesse von individuellen und gruppeninternen Veränderungen und der Gesamtorganisation.
Entwicklung einer gemeinsamen WissensbasisKollektive Annahmen über die gemeinsame Wirklichkeit werden konstruiert. Diese werden mittels Verständigungsprozessen verändert. Durch single-loop-Lernen entstandenes Lernen wird in kollektiven Alltagstheorien verankert.
Kollektives Wissen über Handlungs-Ergebnis-Beziehungen wird ebenso entwickelt wie die Einwirkung der Umwelt auf diese Beziehungen.
(n. Argyris/Schön 1978), lerntheoretisch (n. Bateson):
single loop learning:
Zweckrationalität
bezieht sich auf den rationalen, lernstimulierenden Umgang mit Mitteln
und Instrumenten bei gegebenen Zielen, Normen und Standards.
double loop learning:
Die Ziele, Normen und Standards selbst werden rational
überprüft. Kompetenzen zur selbständigen Formulierung von
Arbeits- und Lernzielen.
deutero learning:
Organisationskulturelles Identitätslernen. Lernen im Umgang mit
Sinn,
d.h. Deutungsmustern, Erkenntnis- und Handlungsinteressen. Übergreifende
Normen werden in den Reflexionsprozess eingeschlossen, Vorannahmen kritisch
überprüft (n. Witthaus 1996, S. 101).
Unterscheidung von individuellem und organisationalem Lernen:
Die erlernten Selektionsmöglichkeiten des Einzelnen werden benötigt
auf Grund der doppelten Kontingenz sozialer Situationen. Diese Situationen
spielen sich hier im Bereich der Organisation ab, die durch die Kommunikationsprozesse
erst konstituiert wird.
Mit anderen Worten:
Arbeitsprozesse erfordern Arbeitslernprozesse, und diese wiederum Lernmanagementprozesse.
Diese werden wiederum von Persönlichkeitsentwicklungsprozessen gesteuert.
Beim sozialen Lernen müssen die Prozesse kommunikativ aufeinander
abgestimmt werden (n. H. Geißler 1995, S. 373).
Die lernende Organisation kann nicht primär vom Manager gestaltet werden, wie Senge meint. Dazu sind Organisation eben nicht trivial (vgl. Willke). Der Manager spielt jedoch eine wichtige Rolle beim Veränderungsprozess, indem betriebliche Bildung ihre Monopolstellung als Expertin für Lernprozesse verliert. Andererseits vermag sie auch einen Zugewinn an neuen Aufgaben erlangen.
Beispiel Weiterbildungsabteilung (n. Probst)
Anpassungslernen | Schulungsprogramme zur Erreichung vorgegebener Ziele der Personalstrategie. |
single loop learning | Anpassung dieser Programme, um die offiziell ausgearbeiteten Ziele besser zu erfüllen. |
double loop learning
(Veränderungslernen) |
Überprüfung der Annahmen über den Unternehmensauftrag, Konzipieren eigener Wert- und Zielvorstellungen. Neues Schulungsprogramm entspricht der Personalstrategie, aber auch anderen Zielen. |
deutero-learning | Weiterbildungseinrichtung setzt sich mit ihren eigenen Lernprozessen auseinander. |
3 Generationen (Reifegrade) betrieblicher
Weiterbildung
(Vergleich Hölterhoff/Becker
mit Witthaus)
Anpassungslernen/single-loop-Lernen: | "Änderungsschneiderei". Bedarfsorientierung. |
double-loop-Lernen: | "Strategieschmiede": Soll/Ist-Vergleich, Bildungsmaßnahmen zum Ausgleich. Keine Rückgebundenheit an die Normen und Werte der Organisationsmitglieder. Nur der Rationalität von Zielen und Zielableitungen unterworfen. |
deutero-Lernen, d.h.
organisationskulturelles Lernen |
"Kulturwerkstatt": Übergeordnete Bedeutung von Kultur. Lernende Weiterentwicklung von Einstellungen zum Lernen. Raum für Beratung und Diskussion der Unternehmenskultur. |
In der dritten Form (Weiterbildung als Kulturwerkstatt) geht es um das Erkennen lernfördernder und hindernder Strukturen. Stärkung der Subjekte in ihrer Reflexions- und Lernfähigkeit. Betriebliche Bildung bekommt Mittlerrolle zwischen Akteuren und Organisationsstrukturen, arbeitsplatznahes Lernen nimmt in seiner Bedeutung zu. Allerdings wird es unter zu starkem Zeit- und Kostendruck auch behindert: Zeitnischen im Arbeitsprozess sind erforderlich und müssen genutzt werden, denn weder kann Lernen und Arbeiten im gleichen Rhythmus erfolgen, noch darf der Abstand zu groß sein. Die Normen und Werte der Mitarbeiter werden reflektiert. Zwar erfolgt dies unter dem Gesichtspunkt des Profitprinzips (als hartes oder als weiches Kriterium), die Mitarbeiter müssen jedoch für das Produkt motiviert sein (Beispiel: Geländewagen als Identifikationsobjekt). Eine sog. AUS-Zeit, ohne feste Themenvorgabe, mit externem Coach, kann zur Festlegung eigener Entwicklungsziele im Rahmen betrieblicher Bildung sehr hilfreich sein (Beispiel: Schulentwicklung). Gute inhaltliche Voraussetzungen sind aber dafür notwendig oder müssen selbst erarbeitet werden. Die Stärkung der Persönlichkeit zum Selbstlernen führt zur Verbesserung der Strukturen (z.B. Aufbau von Gesundheitszirkeln), und diese stärken wiederum die Subjekte. Die Handlungstheorie der Subjekte und die Strukturen der Organisation bedingen sich wechselseitig (n. A. Giddens / Pawlowski). Daher: Extrinsische und intrinsische Motivationen kombinieren! (siehe voluntaristische Handlungstheorie). Durch Selbstreflexion kann aufgedeckt werden, wenn sich diese Motivationen gegenseitig behindern.
Gegenläufige Tendenz: Auslagerung von betrieblichen Bildungsabteilungen,
obwohl die Schwierigkeit der Integration von Lernen in Arbeitsprozesse
zunimmt!
Kritik: Kultur wird funktionalisiert, dem Primat der Zweckrationalität
unterworfen!
Widersprüchliche Anforderungen, ein Spagat:
Nicht nur Zulieferer von Qualifikationen, sondern Diskussion und Bereitstellung
von Alternativen zu realisierten Formen der Gestaltung von Arbeit und Technik.
Inhaltliche Zurückhaltung, Beschränkung auf das Prozessgeschehen.
Auf Individuen und Gruppen beschränkte Lernprozesse auf das betriebliche
Gesamtgeschehen ausdehnen. Dabei Räume für die Persönlichkeitsentwicklung
schaffen.
Das betriebliche Bildungspersonal sollte in dieser Widersprüchlichkeit seine Chance sehen. Sich nicht in Subjektentwicklung erschöpfen, sondern das Gesamtgeschehen unter Einbeziehung von Bildungsansprüchen in den Blick nehmen.
Aufgabe der betrieblichen Bildung
Weder einfach die Wegweiser befolgen, um sie dann zu vergessen, noch ziellos wie ein Landstreicher von einem Wegweiser zum anderen gelangen, sondern Instrumente für die Reiseplanung entwickeln. Umweltgegebenheiten und Bedürfnisse der Reisenden dabei berücksichtigen.
Beispiele für großen Zeitabstand zwischen Lernen und Arbeiten:
Beispiel Lehrer-Weiterbildung:
Quellen:
© Claus-Henning Ammann 2002, www.multimedia-pflege.de