Merkmale von Organisationen/Zeitsignaturen

Zeitsignaturen  

Kommunikatives Handeln in Organisationen / theoretischer Ansatz aus der Gegenüberstellung von System und Lebenswelt

1. In der Grundlegung des Handlungsbegriffs beziehe ich mich auf die Handlungseinheit, in der der Akteur in einem zeitlichen Prozess unter bestimmten Bedingungen mit seinen Mitteln ein bestimmtes Ziel verfolgt, sich dabei an institutionellen Regeln sowie konkreten Normen der Zweck-Mittel-Beziehung orientiert (n. Parsons 1966, S. 737/738). Weiterentwickelt, bedeutet Rationalität in Handlungssystemen nicht nur Zweckrationalität, d.h. kognitiv-instrumentelles Handeln; einzubeziehen sind auch moralisch-praktische und ästhetisch-expressive Aspekte. Das Konzept Habermas‘ baut auf Einbeziehung verständigungsorientierten Handelns, symbolisch strukturierter Lebenswelt und kommunikativer Vernunft.

2. Die Handlungstheorie wird zwar einerseits in Richtung kommunikativen Handelns ausgebaut, andererseits ist von der Verselbständigung systemisch integrierter Handlungszusammenhänge gegenüber einer sozial integrierten Lebenswelt auszugehen; die Institutionalisierung zweckrationalen Wirtschafts- und Verwaltungshandelns ist als eine Verankerung der Medien Geld und Macht in der Lebenswelt zu interpretieren.

3. System-Erfordernisse wirken sich zunehmend auf solche Bereiche aus, die ihre Funktionen nur unter den Bedingungen sozialer Integration erfüllen können, wie es sowohl die Organisationen zur Versorgung von Kranken und Hilfsbedürftigen als auch der Bildungsbereich darstellt. Zwar bemisst sich die Rationalität einer Organisation danach, ob der Betrieb bzw. die Anstalt zweckrationales Handeln ihrer MitarbeiterInnen ermöglichen oder sicherstellen kann. Es gibt jedoch keine lineare Abhängigkeit der Organisationsrationalität von der Handlungsrationalität der Mitglieder, Bezugspunkt ist stattdessen die System-Rationalität, die Selbststeuerungsfähigkeit sozialer Systeme. Nicht das zweckrationale Verhalten einzelner Mitglieder, sondern deren funktionaler Beitrag für die Lösung von Systemproblemen gewinnt an Bedeutung.

4. Die Frage ist, ob der Mechanismus der Verständigung, d.h. das Erzielen eines Konsens‘, geeignet ist, die notwendigen Veränderungen zu integrieren, denn die soziale Realität schrumpft scheinbar auf eine versachlichte, von bisherigen normativen Bindungen freigesetzte Organisationsrealität zusammen. Kommunikatives Handeln verliert innerhalb von Organisationen seine ausschließliche Geltungsgrundlage, im Unterschied zu einer auf Absprache beruhenden freien Übereinkunft von Personen außerhalb von Organisationen. Organisationsmitglieder handeln zwar nur unter Vorbehalt kommunikativ, jede formelle Organisation muss sich aber auch auf eine informelle Organisation lebensweltlicher Zusammenhänge stützen. Organisationen müssen lernen, ihre Handlungssysteme umzuorganisieren, wenn Systemprobleme ihre Steuerungskapazitäten überfordern. Durch diese Umorganisation entsteht eine neue Form sozialer Integration. Strukturen und Ereignisse wirken wechselseitig aufeinander ein und die neue Form sozialer Integration erlaubt die Implementierung neuen technisch-organisatorischen Wissens, und damit eine Steigerung der Produktivkräfte auch im Dienstleistungs- und Bildungsbereich.

Merkmale von Organisationen als soziale Systeme

Organisationen haben gemeinsame Merkmale, ob es sich nun um Schulen, Verwaltungen, Krankenhäuser oder ein Team bzw. eine Abteilung handelt, um nur einige Beispiele zu nennen (vgl. Baumgartner u.a. 1996, S. 37-46). Folgende Merkmale sozialer Systeme sind für die Gestaltung des Organisationsentwicklungs-Prozesses wichtig:

Diese Merkmale untersuche ich jeweils auf die Konsequenzen für die hier thematisierte Organisationsentwicklung:

Zur Strukturdeterminiertheit: Nicht die Anstöße aus der Umwelt eines sozialen Systems bestimmen, zu welchen Reaktionen und Handlungen dieses sich veranlasst sieht, sondern dessen Struktur bestimmt, welche Anregungen aus der Umwelt überhaupt als solche wahrgenommen werden. Die Kommunikation darüber, was als Ursache und was als Wirkung angesehen wird, muss sich auf die Interpunktion der Ereignisfolgen beziehen (n. Watzlawick u.a. 1990, S. 92/93). Die entsprechende Konsequenz für ein Unternehmen muss darin liegen, seine Organisationsstrukturen regelmäßig zu reflektieren. Voraussetzung für die langfristige Überlebensfähigkeit von Organisationen ist eine strukturelle Koppelung von Organisation und Umwelt. "Die Strukturierung des Organisationsentwicklungs-Prozesses selbst beeinflusst maßgeblich die Möglichkeiten, durch diese Maßnahme die Organisation zu Veränderungen anzuregen" (Baumgartner u.a. 1996, S. 39).

Ein mit dem zuerst beschriebenen Merkmal zusammenhängender Aspekt besteht in der Komplexität sozialer Systeme. Die Vielschichtigkeit eines Entscheidungsfeldes löst in der Regel schon das Gefühl der Instabilität aus. Es entsteht die Notwendigkeit der Selektion.  Folgende Schwierigkeiten können im Umgang mit komplexen Situationen auftreten und verdienen daher besondere Beachtung: Es sind u.a. mangelhafte Zielbildung, eingeschränkte Situationsanalyse, Verkennen zeitverzögerter Wirkungen, mangelnde Analyse von Nebenwirkungen, Tendenz zur Überdosierung und Übersteuerung, zur Ignoranz vorhandener Entwicklungen und Lösungsversuche durch Machtausübung (s. Baumgartner u.a. 1996, S. 43). Durch die Sensibilisierung im Hinblick auf diese möglichen Schwierigkeiten lässt sich ein OE-Prozess überprüfen und die Vorgehensweise umstellen.

Zur Entwicklungsfähigkeit: Die Fähigkeit zur Veränderung ist die Existenzgrundlage von dynamischen Organisationen. In einer sich ändernden Umwelt haben offene Systeme nicht die Möglichkeit des Stillstands, wenn sie nicht untergehen wollen. Diese Fähigkeit lässt sich nicht auf bloße Anpassungsleistungen reduzieren, sondern umfasst qualitative Veränderungen, Innovationen. Hierbei führen markante Übergangsschritte wie z.B. ein Generationswechsel zu größeren Veränderungen.

Ordnung entsteht in sozialen Systemen spontan als Zeichen der Selbstorganisation, diese kann nicht angeordnet oder kontrolliert werden. Um sie zu fördern, sind übersichtliche Organisationseinheiten zu schaffen, die optimale Voraussetzungen für Selbständigkeit bieten. Gruppenarbeit!

Die Bedeutung von Grenzen für soziale Systeme liegt darin, ihre Ressourcen für das systemrelativ Sinnvolle zu begrenzen. "Alle Systeme haben Grenzen - die Grenzen sozialer Systeme sind jedoch symbolischer Natur, es sind Sinn-Grenzen" (Baumgartner u.a. 1996, S. 44). Da Systeme strukturell an ihre Umwelt gekoppelt sind, können sie nur durch Grenzerhaltung ihre Identität erhalten (vgl. Zelditch 1955, S. 402/403). Die Grenzen dürfen aber weder zu starr noch zu diffus sein, es entstehen sonst jeweils spezifische Probleme: Bei zu starker Abgrenzung wird möglicherweise die Eigenständigkeit überfordert, bei zu unklarer Grenzziehung bedroht. Hieran wird deutlich, dass ein eigenes Profil wichtig für eine Organisation ist, um Entscheidungen über sinnvolle Möglichkeiten treffen zu können. Dies gilt auch für dieses Projekt selbst: Um einen Unterschied zu machen, muss es sich von der übrigen Organisation abheben. Die Beziehungen müssen aber so offen sein, dass das Engagement im Projekt auch Auswirkungen auf diese haben, sonst handelt es sich nur um folgenlose Eigenaktivitäten. 

 


 

Zeitsignaturen

Die Globalisierung der Lebensbedingungen kann als Zeitzeichen für den zu erläuternden Bildungsbegriff angesehen werden. Unter dem Begriff Globalisierung wird in erster Linie der ökonomische Aspekt, das beschleunigte Zusammenwachsen der nationalen Ökonomien zu einem globalen Markt und die damit verbundene politische Rhetorik in der ‚Standortdebatte’ verstanden, weiterhin weltweite Durchsetzung westlich geprägter Konsum- und Kulturmuster und die neue Entwicklung einer weltweiten Integration in einem internationalen System (n. Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung 1997).

Die  ökonomische Globalisierung hat folgende Antriebskräfte: Es sind u.a. die Liberalisierung des Welthandels, die Mobilität von Kapital und Arbeit, eine Verminderung der Kosten von Information und ihrer Übertragung und die Verfügbarkeit von neuen Technologien (n. Vasella 1997). Dieser Aspekt verweist über die Standortdebatte in zunehmender Schärfe seit einiger Zeit auf die Senkung der Lohn- und insbesondere der Lohnnebenkosten (s. u.), gedrängt wird, um Konkurrenzfähigkeit deutscher Produkte im internationalen Wettbewerb zu verbessern. Weil die ganze Welt zu einem einzigen Markt verschmelze, so eine häufig gehörte These, würden deutsche Unternehmen Arbeitsplätze nur noch im billigeren Ausland schaffen. Darauf findet man vom Arbeitsminister bis zum Konzernchef nur eine Antwort: Anpassung nach unten, Verzicht üben, Opfer bringen (nach Martin/Schumann 1996, S. 15) - oder Steigerung der Lernfähigkeit des Unternehmens mit dem Ziel des Überlebens in der Risikogesellschaft?!

Weitere Zeitzeichen u.a.: Neue Werthaltungen im sozialen Umfeld (z.B. Entzauberung der Religion)..., die Steigerung von Komplexität und Dynamik, die exponentielle Steigerungsrate wissenschaftlichen Wissens.

Folgerungen für die Managementbildung

Das Unplanbare planen, ohne seine Planbarkeit zu unterstellen (n. Geißler 1995 a, s. 365). Die Methode des Zweifelns und Fraglichmachens muss auf den Bereich der obersten Ziele und der zugrunde liegenden Vorannahmen angewandt werden: pädagogische Praxis und Bemühung um die Bildung des Subjekts. Das Suchen nach dem richtigen Wissen, Können, Glauben und Wollen.  Denn der Mensch ist vollständig entwicklungsbedürftig, weil sein Wesen von der Natur nicht festgelegt ist. Es handelt sich um eine unbestimmte Bestimmtheit, die Offenheit für Alternativen ergibt sich daraus. Die Pädagogisierung aller Lebensbereiche ist die Konsequenz, das lebenslange Lernen. Organisationen sollten erst einmal gedanklich zerschlagen werden, um sie dann wieder wirklich neu aufbauen zu können (unlearning).

Aufgabe des Managements zur Förderung des Organisationslernens


 

Quellen:

© Claus-Henning Ammann 2002, www.multimedia-pflege.de