Strategische Organisationsdidaktik

Zusammenhang von Lern- und Didaktiksystem; Beispiel: Linienfachleute als Multiplikatoren; Organisationsdidaktisches Strukturgitter; Organisationslernen im Dreieck von Organisationsstrategie, -kultur und -struktur



Einleitung

Nach Duncan/Weiß sind die Organisationsstrukturen didaktische Mittel, um die Wissensbasis der Organisation zu verbessern. Nach Argyris/Schön sind die sog. "public maps" zusammen mit den "private images" die Medien des Organisationslernens. Das Lernen erfolgt in einem selbstreferentiellen Prozess, der organisationelles Lernen und Lehrfunktionen miteinander verbindet. Diese Bedingungen müssen nach Schein erst durch die Führungskräfte mit Leben erfüllt werden. Es gibt sachlich-materiale und personal-verhaltensbedingte Impulse, die Organisationslernen steuern und selbst dessen Produkte sind (Geißler 1995, S. 141/142).

Sattelberger und Beutel-Wedewardt entwickeln pragmatisch das Design für eine wirkungsvolle Stimulation und Steuerung von Organisationslernen, die man als strategische Organisationsdidaktik bezeichnen kann. Es gelingt ihnen, die vier wesentlichen Dimensionen der Organisationsdidaktik systematisch zusammenzubinden:

(n. Geißler 1995, S. 142).
Der Zusammenhang von Lern- und Didaktiksystem

Grundlage, das Lernen vor allem an die Kategorie des Lernsystems zu binden (Hedberg): Lernsubjekte werden als Lernsystemeaufgefasst. Es sind somit nicht nur die

Dieses Lernsystem lässt sich durch pädagogische Einwirkung, d.h. durch Führung, steuern. Aus diesem Gedanken heraus wird dem Lernsystem die Kategorie des Didaktiksystems zur Seite gestellt (Geißler 1995, S. 142/143), damit ist Sattelbergers Konzeption anschlussfähig. Das Didaktiksystem kann aus folgenden Elementen bestehen:

Aufgabe der Didaktik ist es, dem Lernen eine begründete Entwicklungsrichtung und Sinnorientierung zu geben. Von ihm sollen lernstimulierende, -steuernde und organisierende Impulse ausgehen. Subjekte haben nämlich Probleme, ganz auf sich allein gestellt ihre Lernfähigkeit optimal auszuschöpfen und genügend Urteilskraft zu erwerben, um ihrem Lernen selbständig Sinn und Ziel zu geben. In Interaktion mit dem Lernsystem stehende, durch eine Lehrerfunktion hergestellte didaktische Arrangements greifen hier als Didaktiksystem ein.
Das didaktische Arrangement kann folgende Dimensionen aufweisen:

Das Spektrum des didaktischen Arrangements reicht von

Schein nennt diese Bereiche subsumierend "primary embedding mechanism" und "secondary articulation and reinforcement mechanism" (Geißler 1995, S. 144).

Merkmale des Didaktik-Modells Sattelbergers:

Das Didaktiksystem hat alle möglichen Kommunikationskanäle für das Feedback des Organisationsumfeldes, die Bedingungen und Entwicklungstrends zu öffnen und zu pflegen, damit die Organisation das entsprechende Wissen erhält, sensibilisiert wird und trainiert, es aufzunehmen und richtig zu verarbeiten.

Lernen ist
- selbstreflexiv (weil auf die Bedingungen der Organisation bezogen) und
selbstreferentiell (wenn die Lehrenden zu Lernenden werden, die sich mit ihren dabei gemachten Erfahrungen auseinandersetzen)

Bedingungen  für die Erfolgswirksamkeit aller Maßnahmen:

Die wesentlichen Merkmale einer lernenden Organisation:

  1. Organisationsmitglieder lernen permanent, weil ihr Wissen fortlaufend veraltet.
  2. Lerner- und Lehrerrolle werden konzeptionell zusammengebunden (keine reine Schüler- bzw. Lernerrolle),
  3. Symbiose zwischen organisationsinternen Machtzentren und PE-Abteilung. Organisationszentrale Machtpromotoren setzen sich besonders für diejenigen ein, die Lehren und Lernen in einer Person verkörpern (n. Geißler 1995, S. 148).

Entsprechende Merkmale des Organisationslernens:

Wenn Vorgesetzte ein organisationsdidaktisches Design entwickeln, wird dieses Berufsrollenverständnis oft als realitätsfremd abgelehnt. Daher benötigen diese nicht nur großen eigenen Kraftaufwand, sondern die Unterstützung durch betriebspädagogische Spezialisten, d.h. Personalentwickler. Machtpromotoren und zentrale Führungskräfte der Organisation sehen in der Organisationsdidaktik ihre eigene Aufgabe, sind in das Design eingebunden und unterstützen die Spezialisten. Erst damit wird die Organisation erst zu einer in jeder Hinsicht lernenden Organisation (n. Geißler 1995, S. 148).

Ein Beispiel: Linienfachleute als Multiplikatoren
Für Führungskräfte (Linienmanager) in einem großen Automobilwerk bestand folgendes Lernkonzept: Erkenntnisse aus dem Arbeitsumfeld (z.B. Probleme mit Veränderungen)  wurden selbstorganisiert gesammelt, Projektarbeiten in Gang gesetzt und Prozess- und Lernplanungen entworfen. In dieser Struktur wurden die Kompetenzen der Führungskräfte erhöht, und existierte ein Förderkreis mit Facharbeitern als Vorbereitung auf die Meisterprüfung. Für Linienfachleute bestand ein solches Programm nicht.

Die Einführung neuer Techniken (z.B. CNC-Maschinen und CAD-Technik) verursachte einen hohen Schulungsbedarf. Die Schulungen der Herstellerfirma (durch Fachspezialisten, d.h. Ingenieure) führten allerdings nicht zu dem gewünschten Erfolg. Sie waren nicht zielgruppenorientiert, zeitlich nicht immer mit der Technikimplementierung koordiniert und führten eher zu Verunsicherung der NC-Bediener und Einrichter. Das Problem wurde durch die Störanfälligkeit der neuen Maschinen und Bedienungsfehler deutlich, die Produktion war gefährdet. Der Ansatz musste sich somit an die Linienfachleute richten, und konnte sich auf das bereits erprobte Konzept "Förderkreis" stützen.

Trotzdem bestand Skepsis bei Planern und Führungskräften: Würden Arbeiter in der Lage sein, ihr Wissen konzentriert an die Kollegen weiterzugeben? Sind dazu nicht besser die "qualifizierten Experten" geeignet? Andere NC-Planer wiederum waren zuversichtlich, und sie konnten sich mit Hilfe der Bildungsabteilung durchsetzen. Jeweils nach einer Erfahrungsphase wurden Maschinenbediener zu  Maschineneinrichtern, diese zu Maschinenprogrammierern, und dann zu Multiplikatoren ausgebildet ("Multi und Lerngruppe"). Hier entwarfen sie in Konzept zur arbeitsplatzbezogenen Bedienerqualifizierung. Das Lerndesign wurde auf der Grundlage der bisherigen Lernerfahrungen ausgearbeitet. Es galt das Prinzip: "Wie man lernt, so arbeitet man". Nach einer externen Firmenschulung haben die Multis dann ihr Konzept umgesetzt und in Erfahrungsgruppen ausgewertet. Die Entscheidung zu dieser Organisationsform löste zunächst Turbulenzen in der  Führungsebene aus, sogar ein Stopp angedroht. Im weiteren Verlauf entwickelte sich aber eine große Dynamik im Hinblick auf Organisationsentwicklung und Organisationstransformation. Selbstorganisation# des Lernens und das Prinzip organisationsdidaktischer Multiplikation waren die wesentlichen Merkmale des Qualifizierungsdesigns.

Organisationskonzept (Grundlage):

In dieser Struktur wird als zentrales Instrument der Bedarfsplanung die NC-Qualifizierungspyramide entwickelt und angewendet, mit genau definierten Soll-Qualifikationen an bestimmten Maschinen / Systemen:

Das dynamische Element kommt nun hinein durch die Bildung einer "organisationsdidaktischen Kaskade" (Geißler 1995, S. 150):

Erste Ergebnisse: Das Didaktiksystem besteht somit aus vier Subsystemen, es sind die vier zentral beteiligten Personengruppen:

Gesamtkonzept zur Vernetzung aller Träger,
d.h.:

In der Zielvereinbarung mit den Multiplikatoren werden folgende Fragen angesprochen:

Folgende Projektziele sind ebenfalls Ziele jeden Organisationslernens:

Aktionsprogramm für die Zusammenarbeit zwischen den Fachbereichen und der Bildungsabteilung bei der Einführung neuer Technologien

Organisationslernens: vom Lernen des Einzelnen zum Lernen in Gruppen

Überwindung der künstlichen Trennung von Lernen und Arbeiten: Lernen im Anwendungsfeld, d.h.
dezentrales Lernen!

Veränderungsfähigkeit der Organisation:

Das Lernen  von Einzelnen und von Gruppen reicht nicht aus, hinzu muss ein vorwärtsweisendes Denken kommen. Vom reaktiven zum antizipatorischen, proaktivem Verhalten. Fazit:

Das Lernen nach dem Prinzip der organisationsdidaktischen Kaskade stellt das einzelne Organisationsmitglied in den Mittelpunkt und befreit sich aus der Abhängigkeit von einer übermächtigen und oft blinden Technikimplementation. Die betriebliche "Schulwesen"-Didaktik wurde überwunden zu Gunsten selbstorganisierten Lernens und organisationsdidaktischer Multiplikation, d.h. der organisationsdidaktischen Kaskade (n. Geißler 1995, S. 150). Dazu positioniert sich der Bildungsbereich neu.

Das organisationsdidaktische Strukturgitter
 

Organisationsdidaktische Potentialbestimmungen (Geißler 1995, S. 162). Im Detail...
 


Personal
Gewinnmaximierung
Persönlichkeit
Wirtschaftsethik
Sinnmodelle
Durchdringungs-
grade (Lerntypen)
Zielmodell Koalitionsmodell Überlebensmodell Institutionenmodell Fortschrittsmodell
Organisationsänderung
Organisationsstruktur
   
Organisationsentwicklung  
Organisationsstrategie
 
Org.-Transformation    
Organisationskultur



Selbstreferentialität und Lernen; Systemtheorie

Def. Selbstreferentialität: Ein System reproduziert die Elemente selbst, aus denen es besteht.


Didaktische Analyse nach Klafki

Bildungsbegriff

Fünf Grundfragen, um den Bildungsgehalt von Inhalten und Themen zu klären.
Anwendungsmöglichkeit auf das Organisationslernen: strategische Organisationsdidaktik

  1. nach ihrer Gegenwartsbedeutung,
  2. nach ihrer Zukunftsbedeutung,
  3. nach ihrer Sachstruktur,
  4. nach ihrer exemplarischen Bedeutung und
  5. nach ihrer Zugänglichkeit für die Adressaten

n. Jank, W./Meyer, H. 1991, S. 133)


 

Inhalte und Ziele sind aber nicht allein vom Lehrenden zu bestimmen. Damit grenzt Geißler (1995, S. 143) sein Didaktikmodell von der klassischen Schulpädagogik ab.


Definition CNC:

Eine CNC-Maschine ist ein Automat, dessen mechanische Funktionen über eine Prozessorlogik
angesteuert werden können. Der Automat interpretiert und verarbeitet typischerweise Kommandos, die sich aus einer Kombination mehrerer Zahlen zusammensetzen. Aus dieser Eigenschaft läßt sich direkt der Name ,,CNC'' ableiten, der für ,,computer-numeric-controlled'' steht.

CAD:

Computer Aided Design


Siehe auch:  Schlüsselqualifikation; Bildung.

Kompetenzen:
Gemäß des Persönlichkeitsmodells von H. Roth:  die Sach-, die Sozial- und die Selbstkompetenz, die zusammen menschliche Handlungsfähigkeit ausmachen (n. Reetz 1989, Teil I, S. 9). Diese Kategorien sind deckungsgleich den drei Bezügen des dezentrierten Weltbildes des Menschen (n. Habermas, s. S.32).


 

Meister und Führungskräfte in Planungs- und Verwaltungsbereichen waren zu 60% vorher als Multiplikatoren eingesetzt (n. B-W. 1996, S. 257).


 

Anmerkung: die "Multis" machen  Sandwicherfahrungen : Sie sind sowohl Betroffene als auch Verantwortliche für ihre Arbeitssituation. Dazu ihre arbeitsfeldübergreifende Verantwortung!


 

Quellen:

Geißler, H.: Grundlagen des Organisationslernens, Weinheim 1995, S. 141-165
Jank, W./Meyer,H.: Didaktische Modelle, Frankfurt/M. 1991
Beutel-Wedewardt in: Sattelberger, Th.(Hg.): Die lernende Organisation: Konzepte für eine neue Qualität der Unternehmensentwicklung, 3. Auflage, Wiesbaden 1996, S. 147-259
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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