Abfolge der mehr oder weniger systematischen Einzelschritte des Erlebens und des Tuns hin zu einem vorher vorgestellten Entwurf, der Handlung. Das Tun kann innerlich oder äußerlich sein.
(Quelle: Esser 93, S. 507)
Gesellschaft ist das umfassende Sozialsystem füreinander erreichbarer Handlungen.
(Luhmann, in Esser 93, S. 493)
Vergleich
zwischen der Systemtheorie n. Luhmann und der Handlungstheorie n. Habermas
(n. Esser 93, S. 540)
Habermas | Luhmann | |
Handlung | verschiedene Handlungsorientierungen | = Modell |
Kommunikative Akte |
Verhalten incl.
|
Kommunikation |
Kommunikatives Handeln | Motiv der Verständigung | Motiv unwichtig. Pleonasmus. |
Kommunikation | Verständigung | irgendein Sinn |
Innenhorizont: z.B. Vorder- und Rückseite eines Hauses
Außenhorizont: z.B. über das die Vorstellung des bestimmten
Hauses hinausmeinend, z.B. andere Häuser, frühere Baustile, Wohngegend
und Grundstückspreise. Die Struktur dieser Verweisungen bildet den
Sinn,
in der Sach-, Zeit- und Sozialdimension.
Es sind daher Selektionen des Systems erforderlich. Die Herstellung von Beziehungen zwischen Selektionen wird als Zurechnung bezeichnet. Handlung liegt nur vor, wenn ein Beobachter eine Verhaltensweise der Person selbst zurechnet, oder man sich im Falle der Selbstbeobachtung diese selbst zurechnet (Heidenescher 89, S. 71). Vom Handeln zu unterscheiden ist das Erleben: Während das Handeln dem System selbst zuzurechnen ist, geht es beim Erleben um die Welt des Systems.
Handlungen sind Kunstprodukte von funktionalen Notwendigkeiten. Eine Person kann Handlung bestreiten, indem sie Erleben betont (Interpunktion n. Watzlawick). Auf Grundlage dieser Selektion wird kommuniziert, d.h. weiteres Handeln festgelegt. Soziale Systeme sind demnach Kommunikationssysteme. Sie sind denkbar ohne Handlung, nur auf dem Erleben beruhend (z.B. Schichtzugehörigkeit). Die Kopplung von Selektionen, d.h. die Relation von Zurechnungen) wird über Kommunikation vermittelt.
Handlung dient jedoch der Reduktion der Komplexität (Heidenescher 1989, S. 74). Durch Handlungen werden Kommunikationen konkretisiert. Der elementare Prozess ist Kommunikation. Luhmann ersetzt den Grundbegriff der Handlung durch den des Systembegriffs. Der Handlungsbegriff ist nicht mehr die Letzteinheit des Sozialen.
Der Kommunikationsprozess besteht nicht einfach aus der Nachricht, die Sender an den Empfänger weitergegeben wird. Sondern: Kommunikation ist selbstreferentiell, weil sie nur als wechselseitige Information, Mitteilung und Verstehen zustande kommt: Ego verfügt über eine Auswahl an Wissen, das er aktualisiert (1), wählt aus einer Anzahl von Verhaltensmöglichkeiten aus, welche Information er wie übermitteln will (2). Alter versteht und reagiert daher sinngemäß (3). Dieser Prozess erfordert ein gegenseitiges Ausrichten nach den Selektionen des anderen. Beide wissen um diese Selektionen.
Das Mitteilungsverhalten, nicht jedoch die Informationsauswahl und das Verstehen ist beobachtbar als Handlung (bzw. Erleben), daher ist Handlung ein konkreterer Begriff als Kommunikation. Also: Auf Basis der Kommunikation ist das soziale System ein Handlungssystem.
Die Abgrenzung von einer Handlung zur anderen wird deutlich durch deren
Anschlussmöglichkeiten. Damit wird er frei von lebensweltlichen phänomenalen
Evidenzen (n. Luhmann, in Heidenescher 1989, S. 78). Handlung
ist ein Leistungsbegriff, es geht nicht um das Wesen der Handlung, sondern
um die Funktion, d.h. die Bestimmung des Systems zu vollziehen. Die Alternative
zu jeder Funktion besteht darin, dass statt Handlung Erleben möglich
ist; Handlung und Erleben sind funktionale Äquivalente.
Quelle:
Heidenescher, M.: Handlung im System, Aspekte des Handlungsbegriffs
bei Niklas Luhmann. Bielefeld 1989 (Diplomarbeit)
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