Symbolischer Interaktionismus

Sinn; Systematik;

(n. Habermas 1995 II, S. 9 ff.)
Von der Zwecktätigkeit zum kommunikativen Handeln: Mead und Durkheim. Entwurf einer idealen Kommunikationsgemeinschaft. Zwanglose Verständigung.   Idee der Versprachlichung eines rituell gesicherten Grundeinverständnisses --> rationalisierte, ausdifferenzierte Lebenswelt.

Bezeichnung: Sozialbehaviorismus, Gegenstand des Symbolischen Interaktionismus

Ähnlichkeit zum Behaviorismus:

Unterschied zum Behaviorismus:

Unterschied Habermas/Mead:

Von der gestenvermittelten zur symbolisch vermittelten Interaktion

Ursprung der symbolisch vermittelten Interaktion:

Bedeutungstheorie und Konzept der Regel

Der eine zeigt eine Geste. Er weiß, wie der andere diese interpretieren wird. Indem er das tut, hat für ihn die Geste die gleiche Bedeutung wie für den anderen. Diese Übernahme der Einstellung des anderen lässt sich darwinistisch durch den Anpassungsdruck erklären, der eine erhöhte Reaktionsgeschwindigkeit erfordert. Wichtig sind die akustischen Gesten, weil sie gleichzeitig von beiden wahrgenommen werden können. Lautgesten bilden das Zeichensubstrat der sprachlichen Kommunikation. Gesten werden in der Erwartung gezeigt, dass sie für den zweiten Organismus eine bestimmte Bedeutung hat. Es gibt also ein adressierendes Verhalten. Damit werden die Rollen von Sprecher und Hörer erlernt. Die Geste richtet sich zugleich an sich selbst und an den anderen.
Es handelt sich um drei Einstellungsübernahmen:
1. objektive Sinnstruktur der Geste durch die gleiche Reaktion
2. Geste in kommunikativer Absicht, mit reziproken Reaktionen, fehlschlagende Deutung eines kommunikativen Aktes nötigt zur Einhaltung von Regeln der Symbolverwendung.
3. Dichter arbeiten Bedeutungsinhalte heraus, die über die unmittelbare Bedeutung der Worte hinausgehen.
Die Regel vereinigt die Merkmale für den Gebrauch von Symbolen: Identische Bedeutung und intersubjektive Geltung. Anhand der Regel lässt sich im Besonderen das Allgemeine erkennen. Aufgrund von Beispielen, die ein Schüler für eine Regel findet, kann er selbst zum Lehrer werden. Das Gleichbleiben im Verhalten wird für die Anwendung einer Regel vorausgesetzt. Abweichendes Verhalten muss als Regelverstoß charakterisiert werden.
Solange die Sprache nicht symbolisch durchstrukturiert ist, dient sie lediglich einer auf Instinktresiduen gestützten Verhaltensregulation.

Differenzierung der Sprache: Übergang von der symbolisch vermittelten zur normengeleiteten Interaktion

Erst durch Übernahme von Institutionen seiner Gemeinschaft in sein eigenes Verhalten hat der Mensch eine Persönlichkeit. Indem er die Sprache der anderen übernimmt, entwickelt er seine eigene Identität (H. 95 II, S. 42). Dadurch, dass der Mensch von vornherein auf Andere angewiesen ist, übernimmt er deren Sprache, und reagiert damit auf die Welt der Objekte (S. 49)
Der generalisierte Andere: Die soziale Rolle berechtigt und verpflichtet zu bestimmten Handlungen. Die Macht der Gruppe wird verinnerlicht. Der Heranwachsende übernimmt das Rollenhandeln in zwei Stufen: 1. über "play", d.h. nimmt Reize auf und testet sie an sich, z.B. als Polizist, als Lehrer, als Arzt etc.; 2. über "game" in den Wettkampfspielen. Im Wettkampf muss das Kind die Haltung aller anderen Beteiligten in sich aufgenommen haben. Das Annehmen der Einstellungen anderer wird zur Grundlage für das eigene Handeln.

Normierung von Verhaltenserwartungen und Identität: komplementärer Aufbau der Welten

(Stammesgeschichtliche Grundbegriffe für Objekte, Normen und Subjekte: Ursprung von Religion und Ritus (Durkheim))

Die soziale Kontrolle dient dazu, den Einzelnen im Hinblick auf den gesellschaftlichen Prozess zu integrieren. Dies ist durch die moralische Autorität des verallgemeinerten Anderen zurückzuführen. Normen werden nicht eingehalten, weil man sich gezwungen fühlt und Sanktionen befürchtet, sondern weil man ihnen gegenüber zu Gehorsam verpflichtet ist (H. 95 II, S.72). die moralische, sanktionsfreie Autorität des verallgemeinerten Anderen.
Durkheim: Ritus, religiöse Symbole. Religion: Mittelpunkt der Kultur.
Kollektive Identität. Kollektivbewusstsein: = Konsens, der über die Identität eines Kollektivs hergestellt werden muss.
 

Systematik des Symbolischen Interaktionismus

Annahmen (n. A.M. Rose/n. G.H.Mead):

  1. Der Mensch lebt auch in einer symbolischen Umwelt, deren Reize eine erlernte Bedeutung für ihn haben. Es handelt sich um Bedeutungen und Werte, die mit anderen geteilt werden. Sprache ruft Gegenstände erst ins Leben.
  2. Durch signifikante Symbole können sowohl dieselben als auch andere als für ihn selbst geltende Bedeutungen ausgelöst werden. Lediglich Beeinflussung ist möglich, keine Steuerung. Bei natürlichen Zeichen ist diese nicht der Fall, diese steuern das Verhalten.
  3. Durch Kommunikaiton kann der Mensch eine Vielzahl von Bedeutungen, Werten und von Verhaltensweisen anderer lernen. Begünstigt durch die anfängliche Unselbständigkeit des Menschen bei der Geburt. Ein einzelner Rückschlag kann beispielsweise zu einer Verhaltensänderung führen, weil dieser vom Menschen in seiner Bedeutung eingeschätzt werden kann.
  4. Die Symbole finden sich in komplexen Bündeln. Rolle bezeichnet die aufeinander bezogenen Bündel von Bedeutungen und Werten.
  5. Der Einzelne schreibt sich selber Bedeutungen zu. Die eigene Definition als Rollenspieler nennt Mead "Selbst". Der Mensch hat so viele Selbst-Definitionen, wie er Rollen hat. Unter Selbst ist also die Rolle zu verstehen, so wie sie derjeinige unter subjektiven Gesichtspunkten versteht. Das einzelne "Selbst" wird mitunter auch als "me" bezeichnet. Das Ich ist die Reaktion auf die Einstellungen anderer, das Selbst demgegenüber das geordnete Bündel von Einstellungen anderer, die jemand für sich übernimmt. Das Selbst ist dauerhaft genug, um anderen ziemlich genaue Vorhersagen über das Verhalten zu ermöglichen.
  6. Denken ist die Prüfung symbolischer Lösungen im Hinblick auf ihre Vor- und Nachteile. Durch sein Denken verlegt der Mensch die vorgestellte Zukunft in die Gegenwart, oder die Vergangenheit in die Gegenwart. Notwendig sind dazu Kenntnisse, d.h. Wissen.

 

Quelle:

© Claus-Henning Ammann 2009, www.multimedia-pflege.de