Arbeitsprozessbezogene Ausbildung/ Konsequenzen für die Berufsschule
Arbeitsprozesswissen
als das Besondere der Kompetenz von Fachkräften
Die Akteure sind bereits ausgebildete Fachkräfte, bringen
also ihre Voraussetzungen in ihr erfahrungsgeleitetes Arbeitshandeln
ein. Dazu gehören auch fachtheoretische Anteile, die sie in ihrer
Berufsausbildung erworben haben. Ihr Arbeitsprozesswissen
kennzeichnet die Fachkraft-spezifische Kompetenz:
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Es wird unmittelbar im Arbeitsprozess benötigt (vs. fachsystematisch
strukturiertem Wissen),
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es wird im Arbeitsprozess erworben (d.h. Erfahrungslernen, inkl. Verwendung fachtheoretischer
Kenntnisse) und
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umfasst einen vollständigen Arbeitsprozess (Zielsetzung, Planung,
Durchführung, Bewertung der eigenen Arbeit im Kontext betrieblicher
Abläufe).
Konkret: Jenseits formaler Qualifikation ist Arbeitsprozesswissen das detaillierte
Wissen über betriebliche Arbeitsabläufe, in welcher Reihenfolge,
welche Abteilungen, welche Personen im Betrieb zur Herstellung eines Produkts
beitragen. Die Fachkräfte werden zu Ansprechpartnern im Falle unvorhergesehener Störungen, um
solche Problemsituationen zu bewältigen.
Voraussetzung für ein lernendes Unternehmen ist es, dieses Arbeitsprozesswissens
bereits in der Ausbildung zu verankern. Dazu gehören insbesondere folgende
Elemente:
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Das Bewusstwerden von Widersprüchen und Problemsituationen in der Arbeitssituation
--> Formulieren neuer Ziele
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Alternative Information zur Entwicklung dieser neuen Ziele
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Praktischer Vollzug der Lösung der Widersprüche bzw. der Einlösung
der neuen Ziele (Kompetenzentwicklung)
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Erfahrungsraum zur subjektiven Verarbeitung des Fachwissens: "Poren" im
Arbeitsprozess
Hindernisse
zur Erlangung von Arbeitsprozesswissen
unter den Bedingungen rechnergestützter Produktion:
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Zusammenwirken von metall-, elektro- und informationstechnischen Sachverhalten
(z.B. in der Industrie); im Krankenhaus: medizinische und pflegerische
Angelegenheiten
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beschleunigte Erneuerung von verwaltungstechnischen Abläufen sowie von Anlagen, Komponenten und
Programmen
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Intransparenz von Prozessen
Um den Erfahrungshorizont des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin zu erweitern,
entsprechendes Arbeitsprozesswissen zu erlangen, sind entsprechende Modellversuche
durchgeführt worden.
Arbeitsplanung, Arbeitsorganisation, Durchführung und damit
einhergehende praktische Erfahrungsbildung und deren Bewertung werden
dabei zu einer Einheit verschmolzen!
Arbeitsprozessbezogene Erstausbildung in einer Metall-Übungsfirma
Stichworte: Betriebsbüro und Fertigungsinsel. Komplette
Auftragsabwicklung (simuliert). Handlungsorientierung im schulischen Kontext. Auflösung
des Klassenverbandes, stattdessen mehrere Lern- und Aufgabengruppen. Wichtig
sind insbesondere folgende Punkte:
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Motivation, Aufwertung der beruflichen Erstausbildung.
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Lehrer in der Rolle des Gruppenmoderators oder -mitarbeiters
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Alternative zum dezentralen Lernen, wenn nämlich die AZUBI im Normalfall
gar nicht an den Abläufen teilhaben (s.o.).
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Offenlegen konfliktträchtiger/konkurrierender ökonomischer/technischer/sozialer Planungsziele --> Erlangung von Hintergrundwissen
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Freiraum im Umgang mit der Technik --> kritische Prüfung
Arbeitsprozesswissen in der Technikerausbildung
(Weilburg / Hessen). U.a.: Teilefertigung im Kundenauftrag. Klassenübergreifendes
Projekt, über 2 Semester. Von den Phasen der Konstruktion, der Produktionsorganisation,
der Fertigung bis zur Qualitätssicherung (und deren gegenseitigen
Beziehungen). Fachübergreifend, Zusammenarbeit von Lehrern. Zusammenarbeit
der Technikerschule mit regionalen Unternehmen. Unkonventionelle Ideen
für die Unternehmen, gegen Betriebsblindheit!
Erfahrungen und
Folgerungen für die OE der beruflichen Schulen
Arbeitsteilung im dualen System ist überholt! (Berufsschule zuständig
für fachsystematisch geordnetes theoretisches Lernen, Ausbildungsbetrieb
für praktisches Lernen). Gerade durch Computertechnologien werden
Fächergrenzen gesprengt. Theoretisches und praktisches Lernen lassen
sich nicht trennen.
Tendenzen:
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handlungsorientierter Unterricht in der Berufsschule,
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Verschulung in Betrieben.
Konsequenzen für die OE an beruflichen Schulen:
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flexible Stundenplangestaltung bei der Nutzung der metallgewerblichen Übungsfirma
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Notwendigkeit der Bildungs von Lehrer-Teams innerhalb der beruflichen Schulen
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Abstimmung von Ausbildungssequenzen gemeinsam mit dem Ausbildungsbetrieb
Hinderungsgründe:
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unterschiedliche Trägerschaft, Distanz von Schule und Betrieb
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fehlende Einrichtung (Räume, Telefonleitungen!)
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starre Stundenplangestaltung
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fehlende Kooperationsbereitschaft
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Lehrstoff in Theorie und Praxis geschieden
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Zuständigkeit als Lehrer nur für den theoretischen Teil, der
sich nicht ändert (außer einigen zusätzlichen Inhalten
über Kultusministerien und Vorgesetzte).
Konsequenzen (Beispiel in Bremerhaven)
Berufsschule als lernende Organisation, zur Integration von Arbeiten
und Lernen:
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schulische OE-Arbeitsgruppe
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nicht die Gesamtkonferenz
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Gruppe als temporäre Sekundär-Organisation
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Aufhebung der Arbeitsteilung.
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Einbindung in Schulmanagement (Rechte und Pflichten der Gruppe regeln)
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nicht-repressive Bedingungen, Verständigungsprozess.
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professionelle Beratung, Erlernen von Moderation und Projekt-Management
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Inhaltliche Anreize (keine Sanktionen wie Beförderung etc.)
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Freiräume nutzen, Projekte schulöffentlich präsentieren
und diskutieren
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Drittmittel aquirieren
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nicht zuletzt: Barrieren überwinden
Perspektive: Entwicklung eines regionalen Netzwerks!
© Claus-Henning Ammann 2002, www.multimedia-pflege.de